Die Kirchspieltracht der Winsener Elbmarsch
Seit mehr als 40 Jahren tritt der Volkstanzkreis Winsen (Luhe) in den Trachten der Winsener Elbmarsch auf. Dieses im Norden von der Elbe und im Süden eingegrenzte Gebiet ist – wie die anderen Marschen an der Unterelbe, die Vierlande und das Alte Land – wirtschaftlich seit jeher nach Hamburg ausgerichtet gewesen. Das zeigt sich auch in der Tracht:
Sie hat in weitaus stärkerem Umfang, als es in stadtfernen Gebieten der Fall war, Anregungen aus der städtischen Mode übernommen und macht in ihrer letzten Entwicklungsstufe ganz den Eindruck des frühen 19. Jahrhunderts, vor allem durch die der bürgerlichen Mode von 1800 entsprechenden Farbgebung und den Zylinderhut. Aber auch Reste aus früherer Zeit sind zu erkennen: Die Weste – bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts vorhanden, hat am meisten ihre alte Farbigkeit behalten, die Kniebundhose hatte aus dem Paris Ludwigs des XIV. ihren Weg in die städtische Mode und von dort in die Tracht gefunden. Auch die Herkunft der Frauenmützen reicht weit zurück; die italienische Schnabelmütze aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts fand über die städtische Mode als „Leppen-„, später als „Snippenmütze“ Eingang in die Frauentracht der Winsener Marsch. Insgesamt ist sie gegenüber den Trachten aus den reicheren Marschgebieten, den schon genannten Vierlanden und dem Alten Land, mit ihrem weniger auffälligen Silberschmuck und den einfacheren Stoffen von bescheidenerem Aussehen, aber mit einer wichtigen Ausnahme: Ihre Stickereien werden mit ihrer Farbigkeit und ihrer Gestaltungskraft von kaum einem anderen deutschen Trachtengebiet übertroffen.
Aber nun zu den Trachtenstücken im einzelnen:
Zur
Männertracht gehörte ein hoher gerader Zylinder, ein Halstuch aus
dunkler Seide mit eingewebtem bunten Kanten, eine Jacke aus dunklem Tuch
mit 2 Reihen von je 9 oder 10 Knöpfen aus Silber, eine Weste („Rump“),
kurz, aus dunklem Tuch oder aus heller Seide mit Ranken und Blüten
betickt, ebenfalls mit 2 Reihen von je 9 – 10 Knöpfen aus Silber, ein
langärmliges Hemd mit farbiger Plattstickerei (auf den Schultern
Weißstickerei), eine Kniebundhose aus dunklem Tuch oder Leder, vorn mit
einer breiten Klappe und weiße oder blaue Wollstrümpfe sowie
Silberschmuck (Uhrkette).
Auffälligstes Stück der Frauentracht war die Mütze aus Brokat oder Seide mit Plattstickerei, diese bunt oder aus Gold- und Silberfäden, Metallplätchen und farbigen Glasflüssen, einer Jacke mit tiefem Ausschnitt, einem Mieder aus bunter Seide, geschnürt mit einer langen dünnen silbernen Kette, einem fußfreien, hinten in Falten gelegten Rock aus dunklem Tuch, einer Schürze („Platen“), farbig mit Plattstickerei (Ranken und Blüten). Einem Brustlatz mit Plattstickerei und Strümpfen aus farbiger oder schwarzer Wolle oder aus schwarzer Seide. Dazu gehörten als Schmuck eine Halskette, die bis zu 8 m lang sein konnte, eine Brustkette (6 – 8 Reihen dünne Kette, in der Mitte unterbrochen durch ein Herz, mit Schildern rechts und links am Jackenausschnitt befestigt), eine Gürtelschnalle und schließlich ein Schloss für das Schultertuch. Selbstverständlich hing die Ausstattung mit Schmuck nach Menge und Material stark von dem sozialen Status der Trägerin ab.
Hauptmotive in der Stickerei waren Granatapfel, Tulpen, Nelken Rosen und das Herz. Auf dem Brustlatz erschienen in großer lateinischer Schrift auch die Anfangsbuchstaben des Namens der Trägerin. Bei besonderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel dem Abendmahlsgang, wurde – auf einem sehr alten Vorbild beruhend, nämlich der spanischen Hof- tracht des 16. Jahrhunderts – nur schwarz und weiß getragen.
Von dem malerischen Anblick der durch Form und Farbe in sich aufeinander abgestimmten Männer- und Frauentracht können die nach alten Stücken und Beschreibungen hergestellten Trachten der Winsener Volkstänzer nur eine schwache Vorstellung geben. Es sind nur wenige authentische Trachtenstücke erhalten geblieben – Die Tracht war nach 1850 schon erloschen (zu bestimmten Fragen wurde mehrfach Rat beim Historischen Museum in Hannover eingeholt) – es musste auf gängige Materialien zurückgegriffen werden. (Schon aus Kosten gründen, sämtliche Trachten wurden von den Vereinsmitgliedern ohne irgendwelche finanzielle Hilfen selbst beschafft) und schließlich ist die Kunst der Plattstickerei heute nicht mehr sehr verbreitet. Ein besonderes Stück muss aber doch hervorgehoben werden: das ist die Brautkrone, ganz nach altem Vorbild aus bunten Glasperlen, Gold- und Silberfäden sowie bunten Bändern in mühevoller und langer Arbeit von dem langjährigen Vereinsmitglied, Lo Schultze †, angefertigt.